AllBright & VdU Positionspapier: Ehegattensplitting modernisieren, Potenziale heben
Position von AllBright Stiftung und Verband der Unternehmerinnen - März 2025
Damit die deutsche Wirtschaft wieder durchstarten kann, ist es höchste Zeit den Reformstau in der Familienpolitik angehen. Wir machen uns stark für die Modernisierung des Ehegattensplittings hin zu einer zeitgemäßen Besteuerung von Paaren, Individuen und Familien. Das unausgeschöpfte und leicht zugängliche Erwerbspotenzial von gut ausgebildeten Frauen sollte besser genutzt werden - im Interesse der Frauen und im Interesse der deutschen Wirtschaft.
Es ist Aufgabe des Staates, Hindernisse für die ökonomische und gesellschaftliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern aktiv abzubauen. Das Ehegattensplitting bildet ein solches Hindernis, Institutionen wie OECD und Europäische Kommission, aber auch die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, weisen seit Jahren darauf hin. Es bildet einen Fehlanreiz, der dazu führt, dass Frauen in Deutschland viel häufiger als in vergleichbaren Ländern in geringer Teilzeit arbeiten und für Führungs- und Entscheidungspositionen seltener zur Verfügung stehen. Es befördert die ökonomische Abhängigkeit der Frauen und trägt zur Altersarmut von Frauen bei.
Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist das Ehegattensplitting damit eine teure Subvention, die mit ca. 22 Milliarden Euro jährlich finanziert, dass gut ausgebildete Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen. Das kann Deutschland sich nicht mehr leisten, in Anbetracht des demografischen Wandels müssen alle Potentiale ausgeschöpft werden.
Dazu ist es notwendig, Gesellschaft und Arbeitswelt auf ein Dual-Career-Modell auszurichten, das beispielsweise in Schweden zu einer deutlich stärkeren Präsenz von Frauen am Arbeitsmarkt und in den Führungspositionen geführt hat. Anstelle der Hauptverdiener-Ehe muss die Doppelverdiener-Ehe das ökonomisch attraktivste Modell werden. Steuerliche Anreize, Arbeitswelt und strukturelle Rahmenbedingungen müssen darauf ausgerichtet werden, dass es für beide Ehepartner am attraktivsten ist, vollzeitnah zu arbeiten. Dazu braucht es auch deutliche Investitionen in die Kinderbetreuung. Nur so werden wir den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig stabilisieren.
Auf die vielen gut ausgebildeten Frauen kann Deutschland nicht verzichten. Die Abschaffung des Ehegattensplittings ist nicht nur gleichstellungs- und familienpolitisches Gebot, sondern volkswirtschaftliche Notwendigkeit!
Zum Hintergrund des Ehegattensplittings:
Das Ehegattensplitting wurde 1958 im Hinblick auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie (gem. Art. 6, GG) eingeführt. Beim Ehegattensplitting werden die Einkommen beider Ehepartner zusammengerechnet, die Eheleute geben eine gemeinsame Steuererklärung ab. Das Gesamteinkommen wird dann durch zwei geteilt („Splitting") und entsprechend versteuert. Aufgrund der Steuerprogression, bei der der Steuersatz mit steigendem Gehalt ansteigt, profitieren Paare mit großem Gehaltsunterschied von diesem Verfahren, da es ihnen einen niedrigen Steuersatz verschafft. Besserverdienende profitieren mehr als Geringverdienende, Paare mit ähnlichem Verdienst profitieren kaum bis gar nicht.
Viele Zweitverdienende, meist Frauen, arbeiten in geringer Teilzeit und sehen durch das Splitting keinen finanziellen Vorteil darin, ihre Arbeitszeit zu erhöhen, da das zusätzliche Einkommen durch die unverhältnismäßig hohe Steuerlast für das Zweiteinkommen, Sozialabgaben und den Wegfall staatlicher Leistungen mehr oder weniger aufgezehrt wird. Die bereits viel diskutierte Abschaffung der Steuerklassenkombination III und V verändert zwar die Wahrnehmung der Höhe des eigenen Beitrags zum Familienaufkommen auf dem monatlichen Gehaltszettel (die Abzüge verteilen sich gleichmäßiger auf den besserverdienenden und den geringverdienenden Ehepartner). Das Splitting selbst bleibt allerdings unberührt, da der Splittingvorteil bei der gemeinsamen Veranlagung am Ende des Jahres im Lohnsteuerjahresausgleich bestehen bleibt.
Im Jahr 2025 ist das Ehegattensplitting kein geeignetes Instrument zur Familienförderung mehr. Anders als 1958 ist die Ehe nicht mehr mit Familie gleichzusetzen. Viele Ehen bleiben heute kinderlos. 33 Prozent der neu geborenen Kinder in Deutschland wachsen mit nicht verheirateten Eltern auf, in Ostdeutschland sind es mehr als 50 Prozent. Die Scheidungsrate liegt bei über 35 Prozent. Jede 5. Familie ist alleinerziehend. Sie erhalten diese Förderung nicht.
Das Splitting muss durch zeitgemäße, zielgenauere fördernde Maßnahmen ersetzt werden.
Unser Vorschlag:
Wenn wir das Ehegattensplitting modernisieren, bauen wir eine sehr teure Subvention ab, die den Wirtschaftsstandort Deutschland viel Potenzial kostet. Der Einverdiener-Haushalt muss durch den Doppelverdiener-Haushalt als ökonomisch und im alltäglichen Leben attraktivstes Modell ersetzt werden.
Dafür braucht es ein grundlegendes Neudenken der bestehenden Familienförderung, damit sie den aktuellen Herausforderungen gerecht wird. Familien sollen besser und zielgerichteter entlastet werden und von staatlichen Leistungen profitieren, als es das Ehegattensplitting zurzeit ermöglicht.
Konkret bedeutet das:
• Die schrittweise Modernisierung des Ehegattensplittings hin zu einem Individualsplitting mit übertragbarem Grundfreibetrag auf den Partner oder die Partnerin. Dies kann in folgenden Schritten erfolgen:
1. Sofortige Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 als wichtiges erstes Signal
2. Begrenzung des Splittingvorteils durch einen maximalen Übertragungsbetrag zwischen den Eheleuten von 13.805 Euro (in Anlehnung an das Realsplitting für Geschiedene). Schrittweise Absenkung des Übertragungsfreibetrags auf die Höhe des Grundfreibetrags.
3. Einführung einer Individualbesteuerung, bei der der Grundfreibetrag des nicht erwerbstätigen Partners auf den erwerbstätigen Partner übertragen werden kann. Ein angemessener Bestandsschutz für bestehende Ehen sollte bei der Umsetzung berücksichtigt werden.
Verstärkte Investitionen in flächendeckende Kita- und Grundschulbetreuung
Höhere Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten
Erhöhung des Elterngelds als gleichstellungspolitische Maßnahme, zugleich mehr
„Vätermonate"; nach Vorbild Schwedens
Die Modernisierung des Ehegattensplittings und die Neuausrichtung familienpolitischer Leistungen müssen aneinandergekoppelt und Hand in Hand umgesetzt werden. Entgegen häufiger Annahmen ist die Abschaffung des Ehegattensplittings verfassungsrechtlich möglich. Es genügt, das steuerliche Existenzminimum beider Partner, also den Grundfreibetrag, steuerfrei zu stellen. Die hier vorgeschlagene schrittweise Reform hin zu einer Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag erfüllt diese Anforderung und setzt erhebliche finanzielle Mittel frei.