EINSAM AN DER SPITZE: Unternehmen holen Frauen in die Vorstände, aber in der Regel nur eine

AllBright Bericht September 2023

 
 
 

Die gute Dynamik bei der Erhöhung des Frauenanteils in den Vorständen der 160 in DAX, MDAX und SDAX notierten Unternehmen hält an: 37 Prozent der zwischen September 2022 und September 2023 neubesetzten Vorstandspositionen gingen an Frauen. Erstmals gibt es nun weniger Unternehmen mit rein männlich besetzten Vorständen (66) als Unternehmen mit Frauen im Vorstand (94). Allerdings haben 71 der Unternehmen nur eine einzige Frau im Vorstand und mit 17,4 Prozent ist der Frauenanteil in den Vorständen weiterhin sehr gering.

 
 

FRAUENANTEIL WÄCHST IN DEN VORSTÄNDEN UND AUFSICHTSRÄTEN

In den 160 Börsenunternehmen wächst der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten, die Dynamik hat sich im Vergleich zum Vorjahr erhöht und vor allem der MDAX legt zu. Aber immer noch sind knapp 83 Prozent der Vorstandsmitglieder Männer.

DIE NEUE NORM: EINE FRAU IM VORSTAND

Erstmals gibt es mehr Unternehmen (94), die Frauen im Vorstand haben, als Unternehmen, die keine Frau im Vorstand haben (66). Allerdings haben 71 Unternehmen nur eine einzige Frau im Vorstandsteam.

Und selbst wenn eine Frau im Vorstand vertreten ist, bleiben die Gremien meist männerdominiert, so auch bei diesen renommierten DAX-Unternehmen:

 
 

DAX40: NUR NOCH 2 UNTERNEHMEN OHNE FRAU, ERSTMALS FÜNF MIT DREI FRAUEN

Gab es im vergangenen Jahr noch 7 DAX-­Unternehmen mit rein männlichem Vorstand, sind es nun nur noch Adidas und die Porsche Holding (Vonovia hat nach dem Stichtag für diesen Bericht eine Frau in den Vorstand geholt).

Es geht auch anders: erstmals haben 5 DAX40-Unternehmen je 3 Frauen im Vorstand, die Allianz ab Anfang 2024 sogar 4.

 
 

JEDER DRITTE AUFSICHTSRAT HAT NUN 40 PROZENT FRAUEN ODER MEHR

In den Aufsichtsräten der 160 in DAX, MDAX und SDAX notierten Unternehmen gibt es einen leichten Zuwachs beim Frauenanteil, der nun bei 36,1 Prozent liegt. Die Aufsichtsräte der 40 DAX­-Unternehmen nähern sich mit einem Frauenanteil von 39 Prozent einem ausgewogenen Verhältnis von Männern und Frauen.

Einen Zuwachs gibt es auch bei der Zahl der Unternehmen, die bereits einen Frauenanteil von 40 Prozent oder mehr erreichen: sie ist von 44 im Vorjahr auf aktuell 56 gestie­ gen. Damit hat nun mehr als ein Drittel der Unternehmen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Aufsichtsrat.

 

37 PROZENT DER NEUREKRUTIERTEN VORSTANDSMITGLIEDER SIND FRAUEN

Insgesamt wurden in diesem Jahr mehr neue Vorstands­mitglieder rekrutiert als im vergangenen Jahr, der Frauenanteil liegt bei 37 Prozent, im Vorjahr waren es 23 Prozent.

 

ABER: SO GUT WIE KEINE FRAUEN IN DEN HÖCHSTEN MACHTPOSITIONEN DER UNTERNEHMEN

Die höchsten Machtpositionen in den Unternehmen – der Vorstands- und der Aufsichtsratsvorsitz – werden auch im Jahr 2023 fast ausschließlich mit Männern besetzt, es gibt dort nun noch weniger Frauen als im Vorjahr.

Die Anzahl der weiblichen Vorstands­vorsitzenden ist von 9 auf 7 zurückgegangen. Auch bei den Aufsichtsratsvorsitzenden sind mit insgesamt 6 Frauen zwei Frauen weniger zu verzeichnen als im Vorjahr. So ist die aktuelle Verteilung der Machtpositionen in den Unternehmen bis auf weiteres durch ein sehr starkes Ungleichgewicht geprägt.

 
 

NEUE VORSTANDSMITGLIEDER SIND HÄUFIGER WEIBLICH ODER INTERNATIONAL

Schon seit vielen Jahren ist Thomas der häufigste Name in den Vorständen, und sie werden nicht weniger, sondern zuletzt wieder mehr: Die Zahl der Thomasse in den Vorständen erreicht 2023 mit 30 einen neuen Höchststand.

Die CEOs umgeben sich noch immer bevorzugt mit etwas jüngeren Spiegelbildern ihrer selbst; so ist eine Art »Thomas-­Kreislauf« entstanden, in der neue Vorstandsmitglieder nach der Schablone der schon vorhandenen Vorstandsmitglieder rekrutiert werden.

Die Übersicht über die im vergangenen Jahr neu rekrutierten Vorstandsmitglieder zeigt, wie sich der Thomas-­Kreislauf in Bezug auf Alter und Ausbildung fortsetzt. Allerdings wurde deutlich weiblicher und auch etwas internationaler besetzt.

 
 

INTERNATIONALER VERGLEICH: DIE DEUTSCHEN UNTERNEHMEN HOLEN NICHT AUF

Vergleicht man den Frauenanteil in den Vorständen der führenden 40 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Schweden und den USA, landet Deutschland seit zwei Jahren unverändert auf dem vorletzten Platz.

 

Während es auf den vorderen Plätzen des Rankings Bewegung gibt und Frankreich sich in diesem Jahr erstmals vor Schweden positioniert, reicht der Zuwachs beim Frauenanteil in den deutschen Unternehmen nicht aus, um Anschluss zu finden oder gar andere Länder zu überholen.

 
 

DAS ALLBRIGHT RANKING: DIE GRÜNE, GELBE & ROTE LISTE

DIE GRÜNE LISTE:
16 Unternehmen haben mindestens 40 Prozent Frauen im Vorstand und damit einen ausgewogenen Anteil von Männern und Frauen

Die Anzahl der Unternehmen auf der Grünen Liste hat sich seit dem Vorjahr fast verdoppelt: im September 2023 haben 16 der 160 an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen im Vorstand (im Vorjahr: 9). Ganz vorne stehen Fresenius Medical Care und Pfeiffer Vacuum Technology: sie haben nicht nur 50 % Frauen im Vor­stand, sondern auch eine Frau als CEO. Mit Siemens Healthineers, Beiersdorf, Merck und Zalando sind
4 DAX-­Konzerne auf der Liste.

DIE GELBE LISTE:
78 Unternehmen haben mindestens eine Frau im Vorstand aber keine 40 Prozent Frauenanteil

Mit 78 Unternehmen ist die Gelbe Liste länger als im Vorjahr (70). Damit ist ein Wendepunkt erreicht: Erst­mals gibt es mehr Unternehmen mit Frau im Vorstand (94) als ohne (66). Vor einem Jahr hatte noch mehr als die Hälfte der Unternehmen keine einzige Frau im Vorstand (81). Angeführt wird die Gelbe Liste von Deutsche Telekom und Mercedes Benz, die die 40 Prozent nur knapp verfehlen. Weit hinten liegen die DAX­-Konzerne Deutsche Bank, Volkswagen, Heidelberg Materials, Daimler Truck, BMW und Porsche AG.

DIE ROTE LISTE:
66 von 160 Unternehmen sind immer noch ohne Frau im Vorstand

Die Rote Liste ist in diesem Jahr so kurz wie noch nie: 66 der Börsenunternehmen haben keine Frau im Vorstand (im Vorjahr: 81). Dazu zählen zum Stichtag dieses Berichts (1. September) immer noch drei DAX-­Konzerne: Adidas, Porsche Holding und Vonovia (bei Vonovia gibt es seit 1. Oktober nun eine Frau).

 
 

Wiebke Ankersen & Christian Berg
Geschäftsführung AllBright

KOMMENTAR DER ALLBRIGHT-GESCHÄFTSFÜHRUNG: VIEL MEHR FRAUEN AN DIE SPITZEN!

Langsam, aber sicher geht es voran mit dem Frauenanteil in den Vorständen: um mehr als 3 Prozentpunkte ist der Anteil seit September 2022 gewachsen, der zweitgrößte Zuwachs im Verlauf eines Jahres überhaupt. Und endlich – wenn auch wirklich spät – ist der Punkt erreicht, an dem es weniger rein männliche Vorstände gibt als gemischte. Von der alten Norm (im Vorstand gibt es nur Männer) bewegen sich die Unternehmen hin zu einer neuen Norm: in jeden Vorstand gehört eine Frau. Und zwar genau eine. Das ist ein bedenkliches Verständnis, bei dem wir es nicht belassen sollten.

ES BRAUCHT EINEN SUBSTANZIELLEN FRAUENANTEIL

Es fehlt an Frauen in den Vorständen, die signalisieren, dass der Weg nach oben frei ist und dass gewünscht ist, dass sie dort mitgestalten. Für dieses Signal braucht es aber deutlich mehr als eine Frau im Vorstandsteam. Nur so werden andere Frauen viel selbstverständlicher in diese Positionen streben und dort auch bleiben. Frauen wollen führen, aber sie gehen natürlich lieber dorthin, wo schon andere Frauen sind.

Die Unternehmen in den USA sind längst deutlich weiter: weit mehr als die Hälfte der Vorstände dort haben bereits mehr als 30 Prozent Frauen im Team und ihre Zahl steigt weiter. Davon ist Deutschland noch immer sehr weit entfernt und darf in den Bemühungen jetzt nicht nach­ lassen, wenn es international endlich den Anschluss schaffen will.

Eine kleine Gruppe von DAX40-­Unternehmen macht nun den Anfang: mit Beiersdorf, Merck, Siemens Healthineers und Zalando gibt es inzwischen vier DAX-­Unternehmen mit mindestens 40 Prozent Frauen im Vorstand, ab Januar 2024 zählt auch die Allianz dazu.

SO GUT WIE KEINE FRAUEN AN DER SPITZE VON VORSTÄNDEN UND AUFSICHTSRÄTEN

Es fehlen aber nicht nur Frauen in den Vorständen, es fehlen ganz besonders Frauen in den entscheidenden Machtpositionen der Unternehmen, dem Vorstands­vorsitz und dem Aufsichtsratsvorsitz. Ihre Zahl stagniert seit Jahren auf niedrigstem Niveau und ist in diesem Jahr sogar leicht rückläufig, diese Machtpositionen werden Frauen auch im Jahr 2023 noch nicht anvertraut. Erst wenn sich hier etwas ändert, haben wir Chancengleichheit nachhaltig in der deutschen Wirtschaft verankert.

POLITIK MUSS VIEL KONSEQUENTER RICHTIGE RAHMENBEDINGUNGEN SCHAFFEN

Dass Deutschland im internationalen Vergleich so hinterherhinkt, liegt auch an Versäumnissen in der Politik. Viele Frauen arbeiten unter ihrem Niveau oder in geringer Teilzeit, weil sie Sorge haben, dass sich eine Führungsposition nicht mit einem gelungenen Familienleben vereinbaren lässt.

Es braucht einen schnelleren, konsequenteren Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen, die Abschaffung von starken Fehlanreizen wie dem Ehegattensplitting und eine paritätische Aufteilung der Elternzeit. Das sollte für eine Regierung, die sich Fortschritt und Gleichstellung auf die Fahnen geschrieben hat, selbstverständlich sein.