Interview mit Wiebke Ankersen und Christian Berg im Tagesspiegel
„Ein Mann wird schief angesehen, wenn er keine Elternzeit nimmt.''
Was macht Schweden in Sachen Gleichstellung besser? Dorothee Nolte hat Wiebke Ankersen und Christian Berg für den Tagesspiegel interviewt.
“Schweden gilt schon seit Jahrzehnten als Vorbild in Sachen Geschlechtergerechtigkeit, im Gender Equality Index der Europäischen Union belegt es immer den ersten Platz. Was genau machen die Schweden anders?
Ankersen: Dazu muss man in die Geschichte zurückgehen. In den 19 5 0er, 1960er Jahren war es nicht viel anders als hier: Die meisten Frauen waren nur bis zur Hochzeit oder bis zum ersten Kind berufstätig und wurden dann Hausfrauen. Als die stark exportgeprägte Wirtschaft in den 1960ern mehr Arbeitskräfte benötigte, haben die sozialdemokratischen Regierungen, auch auf Drängen der Wirtschaft hin, konsequent die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass mehr Frauen arbeiten gehenkonnten. Das betraf zunächst den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung, quantitativ und qualitativ - das ist die Basis von allem.
Berg: Ein weiterer wichtiger Punkt war die Abschaffung des Ehegattensplittings. In Schweden gilt schon seit 1971 die Individualbesteuerung. Es gibt somit keinen Steuervorteil für denjenigen Partner, der mehr verdient, was ja meistens der Mann war und oft immer noch ist. Und es gibt weniger Altersarmut unter Frauen, weil jede ihr eigenes Geld verdient. Das System ist darauf ausgerichtet, dass beide Partner voll arbeiten und beide für Haushalt und Kinderbetreuung zuständig sind. … ”